Claire Denis' »Trouble everyday« markierte den Anfangspunkt des
Symposiums »Ästhetik des Fleisches«. Der Film war weithin geprägt von
Uneindeutigkeit. Diese zeigte sich in den Szenen, Handlungen und vor
allem an den Personen. Es wurde zum Beispiel offengehalten, was nun
die wahre Liebe sei. Ob sie in der gesellschaftlich verträglichen Form oder
in ihrer Überschreitung zu suchen ist? Oder dazwischen? Die Mehrdeutigkeiten
als solche zu akzeptieren und davor stehen zu bleiben, als
würde es gelten, den Film möglichst fehlerfrei zu betrachten, bedeutet der
Illusion eines Gesamtbildes zu folgen, bedeutet die Ehe der Browns nicht
nur als gesellschaftliche Fassade anzuerkennen, bedeutet vermeintliche
Objektivität.
Wir entscheiden uns hier für eine Interpretation, in der die Szenen der
Browns als aufgesetzt und stilisiert erscheinen. Schauspiel, Kamera und
Handlung entleeren sich in diesen Zusammenhängen und werden sperrig.
Ein großer Teil des Films wird unverständlich. Wir entscheiden uns, der
Überzeugung zu sein, dass Liebe sich in ihrer Reinheit nur im kannibalistischen
Überschreiten des romantischen Liebesideals äußern kann.
Es ist klar, dass diese Entscheidung einer gewissen Substanz entbehrt
und von großen Teilen des Films Widerspruch erfährt. Trotzdem bleiben
wir bei dieser Entscheidung, da sie mir ermöglicht, vorher lose Zusammenhänge
in eine stringente Form zu bringen.
Was daraus folgt:
- Der ungläubige Thomas hatte eine Erektion.
- Da Vinci empfand überwältigende Lust dabei Leichen
aufzuschlitzen und deren Organe zu sezieren.
- Das zeigt wie folgenreich ein monströses Verbrechen für
gesellschaftliche Normen sein kann.
- Die Entbehrung der disziplinierten Wissenschaft ist das
phallische Bohren in der Wunde.
- Es führt eine direkte Linie vom routinierten Zerteilen eines
Gehirns im biochemischen Labor zum Stochern im sich
auflösenden Körper des Jünglings, der in Corés Haus
einbricht.
- Diese beiden Szenen zeigen die seltsame Koinzidenz und
die notwendige Identität von Wissen und Liebe im lustvollen
Verteilen und Verinnerlichen der Sexualpartner von
Mr. Brown und Coré.
- Die Wissenschaft wird eingeholt von ihrem Begehren und
gebiert das Monster ihres Ursprungs.
- Darin zeigt sich die Liebe zum menschlichen Körper als
wissenschaftliches Objekt und die Liebe als objektive
Wissenschaft.
- Was wir davon lernen, kann Methodik sein.
- Was ich daraus gelernt habe, war die Vorstellung, dass
einige der Referenten bei ihren Vorträgen heimlich erste
heiße Küsse mit dem Mikrofon austauschten.